Tonischer Labyrinth Reflex (TLR)

Der Reflex wird durch Veränderung der Kopfposition aktiviert. Das heisst, wenn der Kopf nach vorne gebeugt wird, löst es den TLR vorwärts aus. Wird der Kopf in den Nacken gelegt, wird der TLR rückwärts ausgelöst.

TLR vorwärts (in der Beugung)

Durch den TLR vorwärts werden alle Muskeln an der Vorderseite des Körpers trainiert und der Beugetonus ausgebildet. Gleichzeitig gibt diese Übung wertvolle Impulse an das Nervensystem – das Baby erspürt die Vorderseite und die Landkarte im Gehirn bekommt eine erste Richtungsgabe – vorne! Diese Abbildung (Landkarte) im Gehirn sollte sich um den 3./4. Lebensmonat aufbauen und der TLR vorwärts sollte langsam gehemmt werden, d.h. die Tonusregulation funktioniert immer besser. Bleibt er teilweise bestehen, hat das einen schlaffen Muskeltonus zur Folge. Die Kinder werden förmlich «von der Erde angezogen». Ausserdem behindert er die Ausreifung guter Kopfstellreflexe, d.h. das Ausbalancieren des Köpfchens fällt schwer.

Generell hat dies Auswirkungen auf die Körperhaltung, auf das Gleichgewicht und die visuelle Wahrnehmung. Das Kind kann das Gefühl haben, vorne über zu fallen.

TLR rückwärts (in der Streckung)

Der TLR rückwärts wird erst durch die vaginale Geburt ausgelöst und spielt dort eine wichtige Rolle, indem einerseits das Köpfchen in den Geburtskanal gestreckt wird, während die gestreckten Beinchen sich von der Gebärmutterwand abstossen.

Nach der Geburt dient der TLR rückwärts als Trainingsprogramm für die Streckmuskulatur und ermöglicht die Aufrichtung gegen die Schwerkraft. Er hebt dadurch die starre Beugehaltung auf und hemmt allmählich den TLR vorwärts. Er gibt dem Hirn die Richtungsangabe «hinten». Ab dem 3. Lebensmonat beginnt er schwächer zu werden. Er hilft dem Kind aber bis zu einem Alter von etwa 3 ½ Jahren, sich aufzurichten und eine stabile Haltung auszubilden.

Bleibt er über dieses Alter hinaus bestehen, zeigt sich das in einer überstreckten Körperhaltung und einem starren Muskeltonus. Die Kinder sind oft Zehenspitzengänger, ihre Bewegungen sind steif und unbeholfen.

Die Ausbildung der Kopfstell- und Augenstellreflexe wird behindert und damit die Körperbalance und die visuelle Wahrnehmung beeinträchtigt. Der übermässige Strecktonus kann auch Auswirkungen auf die Mundmotorik haben: durch einen reflexartigen Zungenstoss kann schon das Füttern mit dem Löffel und später die Aussprache erschwert werden.

Der TLR hat eine wichtige Funktion bei der Ausbildung der richtigen Körperhaltung für den aufrechten Gang. Der Erwerb von Kopf- und Rumpfstabilität zählt zu den Meilensteinen in der frühkindlichen Entwicklung und gilt auch als wichtige Voraussetzung für die Integration der Wahrnehmungssysteme: Gleichgewicht, Körperwahrnehmung, Sehen, Hören.

Diese Folgen können, müssen aber nicht zwingend auffällig erscheinen:

  • Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht
  • Höhenangst
  • Koordinationsprobleme (was ist oben/unten, links/rechts?)
  • Raum, Entfernung, Abstand, Tiefe und Geschwindigkeit kann schwer abgeschätzt werden
  • Orientierung im Raum ist beeinträchtigt – damit auch auf Buch- und Heftseiten → erschwertes Erkennen von Zwischenräumen und Absätzen zwischen Wörtern und Buchstaben
  • Verdrehte Buchstaben oder Zahlen (z.B. 71 statt 17, d statt b)
  • Schwierigkeiten, logische Reihenfolgen einzuhalten (z.B. Muster oder Zahlenreihen ergänzen)
  • Reihenfolge/Struktur bei Aufsätzen erschwert
  • Zehenspitzengänger, Schlaffer oder schwacher Muskeltonus, schlechte Haltung,
  • Reiseübelkeit
  • Eingeschränktes Zeitgefühl
  • Eher unordentlich und chaotisch

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